Geschichte muss nicht in Museen verstauben, sie kann zum Ort lebendiger Begegnung und kritischer Auseinandersetzung werden. Das erfuhr der Lesestammtisch des Musik- und Kulturvereins Stadtoldendorf bei seinem diesjährigen Ausflug zum Jacob-Pins-Forum in Höxter. Im Nachbarkreis schon seit 11 Jahren fester Bestandteil der Kulturszene, ist das Pins-Forum auf der niedersächsischen Weserseite leider noch nicht jedem ein Begriff. Der Namengeber wurde als Otto Pins und als Jude 1917 in Höxter geboren. Im Alter von 19 Jahren floh er vor dem Nazi-Terror nach Palästina. Seinem Bruder Rudi gelang die Flucht nach Amerika. Die Eltern Ida und Leo Pins schafften es nicht: sie wurden in einen Viehwaggon gepfercht, nach Riga verfrachtet und dort ermordet. In Palästina nahm Pins den Namen Jacob an weil dort der Otto zu teutonisch klang.
Nach harten Jahren voll Hunger und Entbehrungen setzte Jacob seinen „westfälischen Dickkopp“ durch, erkämpfte sich ein mageres Stipendium und studierte Kunst. Der Erfolg seiner ersten Ausstellung 1945 überraschte ihn selbst. „Nun war ich auf einem guten Weg und stellte seither häufig aus“ schrieb er in seiner Biografie. Pins‘ künstlerische Schwerpunkte wurden Holzdrucke und Holzschnitte. In einem Raum des Forums ist seine Arbeitsweise anschaulich dargestellt: sogar ein Bügelbrett musste als Schablone für einen weiblichen Akt herhalten. Jacob Pins erreichte internationale Bekanntheit und bewies einen versöhnlichen Charakter: 1959 kam er nach Höxter um denen zu danken, die seine Eltern bis zu ihrer Deportation unterstützt hatten. 1967 stellte er erstmals in Höxter aus. Jacob Pins hatte keine Erben. Er vermachte seinen künstlerischen Nachlass (um die 1500 Exemplare) der Stadt Höxter mit den Auflagen, seinen Werken, sowie der Erinnerung an seine Familie und an das jüdische Leben in Höxter eine Heimstatt zu geben. Das 2003 gegründete Forum fand diese Heimstatt im ehemaligen Adelshof der Familie Heistermann von Ziehlberg, die das Haus in der Renaissance-Zeit als Vertretung Corveys in der Stadt Höxter nutzte.
Die Geschichte dieses Hauses, Leben und Werk des Künstlers, sowie das jüdische Leben in Höxter wusste die Kuratorin Julia Diekmann ihren Gästen anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln und freute sich über Gespräche mit den interessierten, teils historisch und architektonisch versierten Lese-Stammtischlern aus Stadtoldendorf. Im Pins-Forum wird aber nicht nur Vergangenheit verwaltet, es ist auch zu einem kulturellen Mittelpunkt der Stadt geworden. Das Forum stellt immer wieder die Werke zeitgenössischer Künstler aus, veranstaltet Konzerte und Autorenlesungen und unterhält, ähnlich wie der MKV, einen Lesekreis, der monatlich interessante Bücher vorstellt. (Mehr davon auf www.jacob-pins.de) Der Lesestammtisch des MKV fuhr mit vielen neuen Eindrücken nach Stadtoldendorf zurück.
Foto: MKV