Wenn Schriftsteller ihren Werkzeugkasten in den Blick nehmen und über die Sprache schreiben, geschieht das in der Regel geistreich und gründlich. Wenn die Autorengruppe Collage aus Dassel im „Wörter-See“ planscht, kommen noch Phantasie und Humor dazu.
In der Aula der Hagentorschule zogen die Dasseler als Gäste des Musik- und Kulturvereins Stadtoldendorf gekonnt alle Register. Kritisch betrachtete Gertud Keitel den Umgang mit der Sprache, die „scharf wie ein Schwert“, aber auch „leicht wie eine Feder“ sein kann, Wörter können Existenzen vernichten und Gesellschaften verderben, andererseits aber Hoffnung und Trost spenden. Zum Schmunzeln dann ihre (wahre) Geschichte von einer Frau, die mit den „falschen“ Vornamen durchs Leben gehen musste, weil der Herr Papa seine Freude über das Kind mit dem Standesbeamten zu ausgiebig mit Korn begossen, und den „richtigen“ Namen vergessen hatte.
Voll blühender Phantasie zeigte sich Bärbel Spanns Geschichte von einem Volk der Frauen, die paradiesisch an einem See leben, und den Wassergott Wörtling anbeten, der bislang auch für Nachwuchs sorgte. Mit dem Mann tauchen auch die ersten Probleme auf, welche die Frauen zu drastischen Schritten veranlassen…
Rolf Dieter Spann beschreibt in seiner Dystopie den „Wörter-See“ in Zeiten der Digitalisierung als eine Gefahr, in der das gepflegte, geschriebene Wort unterzugehen droht. In einem Gedicht über die Motivation des Schriftstellers dagegen resümiert er humorvoll: „Das Schreiben ist ganz ohne Frage/ein Vademekum gegen Plage.“ Und augenzwinkernd träumt der Schriftsteller reimend vom „Aufstieg“ zum Dichter, denn nur die Dichtung zeige den Kern der Dinge.
Dr. Ludger Kappen nähert sich dem Wörter-See witzig-akademisch. Er lud die Zuhörer ein zu einem Kongress, auf dem Limnologen (Gewässerforscher) und Philologen (Sprachwissenschaftler) ihre Wissensgebiete zusammenlegen. So schaffte Kappen eine hübsche Metapher die ihm Raum bot, in den seichten, lichtreichen Schichten des Wörtersees Wort-Plankton entstehen zu lassen, das Nahrung für alle bietet, in der etwas düsteren Mittelschicht dagegen die Hauptwörter sich dermaßen aufspielen bis sie von den Stichwörtern ermordet werden, und so Raum für Nachworte schaffen. In der untersten Schicht des Gewässers, die kein Sonnenstrahl mehr erreicht, entstehen die Komposita, zusammengesetzte Wortungeheuer, die unter Sauerstoffmangel unbeweglich werden. Hier unten im Dunkel wird aber auch der Wort-Schatz vermutet, den es noch zu heben gelte.
In zwei Leserunden gaben die Autoren gut gelaunt ihr Bestes, so dass den Zuhörern am Ende „die Worte fehlten“. Ganz sprachlos ging man dennoch nicht auseinander, mit Blick auf Weihnachten wurden einige Bücher der Dasseler mit nach Hause genommen. Mitgenommen hat man auch die Freude am gemeinschaftlichen Erleben von Kultur, das sich durch strenge Pandemiemaßnahmen zwar etwas umständlich gestaltet, aber durch keine Digitalisierung ersetzt werden kann.